Flächendeckende Landschaftsbildbewertung

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Landesweite Modellierung


Landesweite Modellierung der landschaftsästhetischen Qualität als Vorbewertung für naturschutzfachliche Planungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Anwendung des Windenergieerlass Baden-Württemberg

Hauptziel des Projektes ist eine flächendeckende Analyse des Landschaftsbildes in Baden-Württemberg als Planungsgrundlage für verschiedene Planungsträger und -ebenen der Landschaftsplanung. In den Naturschutzgesetzen ist das Schutzgut Landschaftsbild prominent verankert und damit zwingend zu bearbeiten; das gilt auch für alle anderen Gesetze, die das Planen und Bauen in der Landschaft betreffen. Insbesondere der geplante Ausbau der Windenergienutzung zeigt deutlich die Notwendigkeit belastbarer Planungsgrundlagen auch für dieses Schutzgut. Die Grundproblematik liegt in der Schwierigkeit, die subjektiv geprägte visuelle Wahrnehmung von Landschaft objektiv und valide zu bewerten.
Im Rahmen eines Promotionsprojektes[1] wurde eine Methodik aufgezeigt, die eine großflächige und valide Vorbewertung des Landschaftsbildes ermöglicht. Das Promotionsprojekt baute auf umfangreichen Vorarbeiten[2]zur Gültigkeit von verschiedener Landschaftsbild-Bewertungsmethoden auf.

Der Grundgedanke der Vorgehensweise baut auf der These auf, dass das Schönheitsempfinden für Landschaft in starkem Maß von relativ wenigen positiv oder negativ wirkenden Einflussfaktoren bestimmt wird. Informationen zu diesen Einflussfaktoren sind in der Regel in abstrahierter Form in topographischen Karten flächendeckend vorhanden. (Geübte Kartenleser wählen für ihren Sonntagsspaziergang den Weg durch das Wiesentälchen, nicht entlang des Gewerbegebietes.)
Eine Vielzahl von Untersuchungen zur nutzerabhängigen Landschaftsbildbewertungen konnte zeigen, dass bei Befragung mehrerer Teilnehmer die individuellen Beurteilungen eines Landschaftsbildes nur gering schwanken. Bei Stichprobengrößen von 20 bis 40 Teilnehmern erhält man demnach ausreichend genaue und stabile Mittelwerte, aus dem subjektiv geprägten Schönheitsempfinden des Einzelnen wird eine intersubjektiv gültige Bewertung.

Im ersten Schritt werden repräsentative Landschaftsausschnitte als Referenzflächen mit Fotos dokumentiert. Die Fotos werden anschließend von einer großen Zahl von Teilnehmern bewertet, um einen Referenzdatensatz zu erhalten. Die Bewertung lehnt sich an die Praxis in Gerichtsverfahren an, wo der unbestimmte Rechtsbegriff „Landschaftsbild“ in der Regel von „gebildeten, für den Gedanken des Natur- und Landschaftsschutzes aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachtern“ konkretisiert und bewertet wird[3].

Im zweiten Arbeitsschritt werden Geodaten für die gleichen Referenzflächen im Geographischen Informationssystem detailliert analysiert. In die Analyse aufgenommen werden alle in den ATKIS-Geodaten enthaltenen Landschaftselemente und -strukturen, bei denen ein Zusammenhang zur visuellen Wahrnehmung der Landschaft vorstellbar ist: beispielsweise Topographie, Landnutzung, Hochspannungsleitungen oder Strukturierung durch Gehölzränder. Ergebnis dieses Arbeitsschrittes sind Analysekarten zu Reliefenergie, Nutzungsvielfalt, Dichte der Hochspannungsleitungen usw.

Im folgenden Schritt wird eine Regressionsanalyse durchgeführt. Die Referenzbewertung wird als unabhängige Variable herangezogen, als abhängige Variablen gehen die Analyseergebnisse der verschiedenen Strukturparameter ein. Damit werden diejenigen Parameter bestimmt, die den Referenzdatensatz und damit die ästhetische Wahrnehmung der Umfrageteilnehmer am Besten beschreiben. Mit dem Regressionsmodell kann die Referenzbewertung in die Fläche extrapoliert und eine großflächige Bewertung modelliert werden.

Die Vorgehensweise lehnt sich an die Methodik des faktoriellen Survey[4] an, mit dem die Wirkmechanismen für die subjektiv geprägte Bewertung komplexer Gegenstände (z.B. bei der Entwicklung von Konsumgütern) untersucht werden.

Im Anschluss an das Promotionsprojekt wurde die Methodik in einem Forschungsprojekt in den Jahren 2011 und 2012 weiterentwickelt. Mit rund 300 Referenzflächen wurden Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft für sechs der zwölf Planungsregionen Baden-Württembergs bewertet. In 12 Veranstaltungen bewerteten insgesamt 265 Teilnehmer jeweils 50 Referenzbilder, die nach einem festgelegten Ablauf gezeigt wurden. Da für jedes Bild mindestens 40 Einzelbewertungen vorlagen, konnten aussagekräftige Mittelwerte ermittelt werden. Eingeladen wurden Teilnehmer aus den drei Akteursgruppen „Normalbürger“, „Fachleute“ und „Mandatsträger“. Die statistische Qualität der ermittelten Regressionsmodelle erreicht r2 (korr.) = ca. 0,6. Die Validität der modellierten Karten wird über Plausibilitätsprüfungen in Verbindung mit statistischen Methoden nachgewiesen (Guttmans Split-Half-Koeffizient 0,87).
Seit Ende 2012 wird am ILPÖ an einer landesweiten Analyse gearbeitet, die Ergebnisse werden als Planungsgrundlage öffentlich bereitgestellt.

PROJEKTDATEN

Laufzeit

Auftraggeber

Auftragnehmer

 

11.2012 – 07.2014

LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, Karlsruhe
ILPÖ, Institut für Landschaftsplanung und Ökologie, Universität Stuttgart








[1]Roser, F. (2011): Entwicklung einer Methode zur großflächigen rechnergestützten Analyse des landschaftsästhetischen Potenzials. - Weißensee, Berlin.
[2]Roth, M. (2012): Landschaftsbildbewertung in der Landschaftsplanung. Entwicklung und Anwendung einer Methode zur Validierung von Verfahren zur Bewertung des Landschaftsbildes durch internetgestützte Nutzerbefragungen. - Rhombos, Berlin.
[3]Schumacher, J. & Fischer-Hüftle, P. (2011): Bundesnaturschutzgesetz Kommentar. - Kohlhammer, Stuttgart.
[4]vgl. Beck, M. & Opp, K.-D. (2001): Der faktorielle Survey und die Messung von Normen. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 53, Heft 2, 2001, S. 283-306

 

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